Fachtagung „Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit als gesamtgesellschaftliche Herausforderung – ein Auftrag für politische Bildung und interreligiöse Arbeit“

Am 15. und 16. Dezember führten die Muslimische Akademie Heidelberg i.G. und die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (AKSB) einen gemeinsamen Online-Fachtagung zum Themengebiet „Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit“. Die Veranstaltung richtete sich vornehmlich an Multiplikator*innen der politischen Bildung sowie der sozialen Arbeit und gestaltete sich demnach sehr praxisorientiert. Im Mittelpunkt stand zum einen die Vermittlung methodischer Zugänge und zum anderen die Vernetzung von muslimischen, christlichen und anderen Trägern der antirassistischen Bildungsarbeit. Wissenschaftlich begleitet wurde die Fachtagung von Dr. Hussein Hamdan, Leiter des Fachbereichs Muslime in Deutschland an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Im Vorfeld des eigentlichen Tagungsbeginns fand am Nachmittag des 15. Dezember zunächst ein interaktiver Workshop für junge Teamer*innen, politische Bildner*innen, Jugendsozialarbeiter*innen und Studierende statt, der sich mit antimuslimischem Rassismus und Islamfeindlichkeit in der Bildungspraxis befasste und welcher von minor – Projektkontor für Bildung und Forschung e.V. sowie La Red – Vernetzung und Integration e.V. verantwortet wurde. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde der Workshop zweimal durchgeführt.

Am Abend folgte sodann der offizielle Auftakt der Fachtagung in Form einer Podiumsdiskussion. Gäste in der Runde waren Nicole Erkan vom Muslimischen Frauenbildungswerk – MINA e.V. (Duisburg), Benedikt Widmaier vom Haus am Maiberg – Akademie für politische und soziale Bildung (Heppenheim) sowie Fatih Abay von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (Berlin). Die Moderation des Gesprächs übernahm Nabila Abdel Aziz von Neue deutsche Medienmacher*innen e.V. (NDM) Im Zuge der Diskussion berichteten die Teilnehmenden von ihrer Arbeit, setzten sich kritisch mit dem starken Präventionsdenken in politischer Bildung und Islamdebatte auseinander und erörterten Wege einer intersektionalen Zusammenarbeit im Themenbereich Antirassismus.

Der zweite Veranstaltungstag begann mit einem Vortrag von Dr. Muhammad Sameer Murtaza (Stiftung Weltethos) unter der Überschrift „Zwischen Hass und Begehren – die Fetischisierung muslimischer Menschen in rassistischen Denkwelten“. In seinem Beitrag argumentierte Dr. Murtaza, dass antimuslimischer Rassismus und Muslimfeindlichkeit zu einem nicht unerheblichen Teil auf einem Sexualneid beruhen, welcher selbst wiederum in einer Krise weißer Männlichkeit wurzele. Der Referent untermauerte seine These anhand vielfältigen Bild- und Textmaterials. Dabei zeigte er auf, dass der Hass gegen muslimische Menschen häufig mit sexualisierten Projektionen einhergeht, die zum einen den muslimischen Mann und zum anderen die muslimische Frau zum Gegenstand haben. Ersterer werde als Bedrohung für die deutsche Frau betrachtet und daher bekämpft (Beschützerinstinkt), letztere dagegen verkörpere das klassische und teils ersehnte „Ideal“ der unterwürfigen Ehefrau, über die der weiße Mann Gewalt ausüben und damit die „gewohnten“ Herrschaftsverhältnisse wiederherstellen könne (Unterdrückerinstinkt). Der Vortrag sorgte für reichlich Diskussion, da er vielen Teilnehmenden erstmals die psychologische Tiefendimension, aber auch die gewaltige Emotionalität bestimmter rassistischer Denkmuster vor Augen führte.

Im Anschluss an diesen theoretischen Impuls fanden vier parallele Panels statt, die sich stärker an praktischen Aspekten der antirassistischen Arbeit orientierten. Die Panels befassten sich mit Erscheinungsformen von antimuslimischem Rassismus in verschiedenen Sozialräumen sowie mit entsprechenden Handlungsfeldern. Den Bereich „Schule“ betreute das Zentrum für europäische und orientalische Kultur e.V. (ZEOK) aus Leipzig, während das Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland e.V. (AmF) aus dem Großraum Köln/Bonn das Thema „Arbeitsmarkt“ bearbeitete. Zudem übernahm das Bündnis Malikitische Gemeinde Deutschland e.V. (BMG) aus Düsseldorf das Gebiet „Alltagsrassismus“. Für die Welt der „Medien“ zeichnete sich erneut NDM verantwortlich. Die vier Träger berichteten jeweils von Erfahrungen im Kontext ihrer Arbeit, stellten Methoden und Materialien vor und beantworteten Fragen seitens der Teilnehmenden.

Um die Sichtbarkeit weiterer – vor allem auch muslimischer – Akteure im Themenfeld zu erhöhen und die Vernetzung von Organisationen und Multiplikator*innen zu fördern, fand nach der Mittagspause eine kleine Trägermesse statt, auf welcher sich insgesamt acht Einrichtungen mit einschlägigen Projekten vorstellten.

Im Anschluss an die Trägermesse folgten drei Workshops mit recht unterschiedlichen Best-Practice-Beispielen. In Workshop 1 erzählte die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e.V. (aej), gemeinsam mit der Koptischen Jugend Deutschland e.V. von ihren vielfältigen Projekten und Methoden im Hinblick auf Antimuslimischen Rassismus und Muslimfeindlichkeit, während Jannik Veenhuis in Workshop 2 die Wanderausstellung „Was’ los, Deutschland!? – Ein Parcours durch die Islamdebatte“ vorstellte. In Workshop 3 wiederum schilderte Ousman Conteh von der Künstler-Combo 1st Cut – Urban Dance Team, wie Hip-Hop und Street Dance als kulturelle Ausdrucksmittel genutzt werden können, um Jugendliche einerseits über Rassismus aufzuklären und ihnen – im Falle persönlicher Betroffenheit – andererseits Verarbeitungsstrategien an die Hand zu geben.

Nach einer kurzen Zusammenfassung der Workshops endete die Fachtagung mit dem Bericht der Tagungsbegleitung, in welchem Dr. Hamdan zu mehr Sensibilität gegenüber antimuslimischem Rassismus aufrief, aber auch an muslimische Menschen appellierte, aus der Opferrolle herauszutreten.

An der Fachtagung nahmen 80 Menschen teil. Sie bot – insbesondere angesichts der Heterogenität der Teilnehmenden – reichlich Gelegenheit zur Begegnung und Vernetzung jenseits des eigenen beruflichen und/oder religiösen Umfelds.